Neue Studie: Anfallsfreiheit durch frühe Gehirnoperation möglich

Drei Viertel aller Epilepsien beginnen im Kindesalter. Bevor eine Operation als letzte Behandlungsoption nach Scheitern der medikamentösen Therapie in Betracht gezogen wird, vergehen durchschnittlich 16 Jahre. Eine neue wissenschaftliche Studie zeigt jetzt, dass Epilepsie-Patienten durch eine frühe Operation eine hohe Heilungschance auf Anfallsfreiheit haben. Voraussetzung ist, dass die Hirnregion, von der die Anfälle ausgehen, sicher identifiziert und komplett entfernt wird. Für ihre Forschungsarbeit konnten die Wissenschaftler auf die Daten von ca. 10.000 Patienten der European Epilepsy Brain Bank (EEBB) zugreifen. Seit 2006 werden dort die Informationen von operierten Patienten aus 36 Epilepsiezentren in 12 Ländern zentral erfasst; die Krankengeschichten erstrecken sich über ein Vierteljahrhundert. Die Auswertung der EU-finanzierten Datenbank ergab weiterhin, dass 75,9 Prozent aller Patienten ihren ersten Anfall vor dem 18. Lebensjahr erlitten. 72,5 Prozent wurden im Erwachsenenalter operiert, nur 27,5 Prozent bereits als Kinder. Männer und Frauen waren annähernd gleich häufig betroffen, und im Großteil der Fälle (71,9 Prozent) wurde der Schläfenlappen operiert. Nach dem Eingriff waren 65 Prozent aller operierten Kinder und 58 Prozent der Erwachsenen von ihren Anfällen befreit.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) und die Deutsche Gesellschaft für Neuropathologie und Neuroanatomie (DGNN) fordern angesichts dieser Zahlen ein Umdenken bei der Behandlung von Epilepsien. Ein Epilepsie-Patient, der nach Behandlungsversuchen mit mindestens zwei Antiepileptika in ausreichender Dosierung nicht anfallsfrei wird, gilt bereits als pharmakoresistent. Danach sinken die Chancen erheblich, mit weiteren Medikamenten noch eine Anfallsfreiheit zu erreichen. „An dieser Stelle sollte eine Überweisung an ein Epilepsiezentrum erfolgen, um die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs zu prüfen“, schlussfolgert Professor Holger Lerche, Koautor der Studie, Vorstand am Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung und Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie der Universität Tübingen. Die Ergebnisse der Studie, wurden kürzlich unter Federführung des Erlanger Neuropathologen und Leiter der EEBB, Professor Ingmar Blümcke, in der Fachzeitschrift „The New England Journal of Medicine“ veröffentlicht.

(bd)
Zurück zur Startseite
Weitere Newsmeldungen
    • Epilepsiechirurgie: Neue MRT-gesteuerte Laserablationstechnologie
      Für etwa ein Drittel an Epilepsie erkrankter Menschen in Deutschland reichen die sogenannten Antiepileptika nicht aus. „Für diese Patienten bietet die Epilepsiechirurgie eine einzigartige Chance, die Epilepsie zu heilen“, so Christian Elger. Die Privatklinik „Beta Klinik“ in Bonn wird ab Anfang des ...
      Mehr
    • Neue Diagnose- und Therapiewege bei Schläfenlappenepilepsie durch Biomarker
      Den meisten Epilepsien gehen Verletzungen des Hirngewebes voraus. Ausgelöst durch Fieberkrämpfe, Hirntumor, Schlaganfall oder z. B. einem Sturz vom Fahrrad können epileptische Anfälle auch erst Jahre später nach dem Ereignis auftreten. Kommt es zu einer Anfallsneigung können
      Mehr
    • Kongress-News: Einsatz von innovativen Substanzen gegen Therapieresistenz bei Epilepsie
      Ein Thema des 3. Kongresses der European Academy of Neurolgoy (EAN) der vom 24. bis 27. Juni 2017 in Amsterdam stattfand, befasste sich mit der Therapieresistenz bei der Behandlung der Krankheit Epilepsie. Mit den heute zur Verfügung stehenden Antikonvulsiva kann bei mehr als zwei Drittel der Betrof...
      Mehr
    • Optimale Versorgung für Epilepsie-Patienten durch Kooperation
      Vor 10 Jahren wurde zwischen dem Sächsischen Epilepsiezentrum Radeberg und dem Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden ein Kooperationsvertrag für eine Zusammenarbeit geschlossen. Epilepsie-Patienten werden in Kleinwachau und Dresden untersucht, um dann über die anzuwendende
      Mehr
    • Neue biokompatible Elektroden helfen bei Epilepsie-Chirurgie
      Das italienische biomedizinische Start-up-Unternehmen Wise Srl, welches sich auf die Forschung und Entwicklung einer neuen Generation implantierbarer Elektroden für die Neuromodulation und das Neuromonitoring spezialisiert hat, hat aktuell zwei neue Elektroden zur Einpflanzung im menschlichen Körper...
      Mehr
    • Schweiz: Neue OP-Methode bei Epilepsie erhält Forschungsförderpreis 2015
      Eine Operation bei epilepsiekranken Menschen sollte in Erwägung gezogen werden, wenn Patienten unter einer medikamentösen Therapieresistenz leiden und es weiterhin zu Anfällen kommt. Christian Rummel, wissenschaftlicher Mitarbeiter für diagnostische und interventionelle Neuroradiologie
      Mehr
    • Gute Langzeitwirkung durch Gehirn-Operationen bei Epilepsie
      In Deutschland sind etwa 600.000 Menschen an Epilepsie erkrankt, davon leiden ca. 90.000, an der sogenannten fokalen kortikalen Dysplasie (FCD). Bei dieser Form der Epilepsie verursacht eine umschriebene Fehlentwicklung der Großhirnrinde die epileptischen Anfälle.
      Mehr
    • Alfred-Hauptmann-Preis 2015 für Epilepsieforschung vergeben
      Dr. Anne-Sophie Wendling und Prof. Bernhard Steinhoff vom Epilepsiezentrum Kehl-Kork, Kork, wurden für ihre vergleichende Forschung auf dem Gebiet der operativen Epilepsietherapie, stellvertretend für eine Autorengruppe aus Kehl-Kork und Freiburg, mit dem Alfred-Hauptmann-Preis ausgezeichnet.
      Mehr
Zum Archiv

Quellen-URL (abgerufen am 20.04.2024 - 03:38): http://www.epiaktuell.de/Epilepsie-Chirurgie/Neue-Studie--Anfallsfreiheit-durch-fruehe-Gehirnoperation-mo.htm
Copyright © 2014 | http://www.epiaktuell.de ist ein Dienst der MedienCompany GmbH. | Medizin-Medienverlag | Amselweg 2, 83229 Aschau i. Chiemgau | Geschäftsführer: Beate Döring | Amtsgericht Traunstein | HRB 19711 | USt-IdNr.: DE 223237239